Die letzte Oktoberwoche stand im Zeichen unserer Informationstage für Semperit-Investoren bei Rico, unserem Spezialisten für Flüssigsilikon und Werkzeugbau. An zwei Tagen luden wir sowohl private als auch institutionelle Investoren und weitere Finanz-Stakeholder nach Thalheim bei Wels ein. Am Programm standen Präsentationen seitens des Semperit-Vorstands und des Rico-Managements sowie eine ausführliche Tour durch die Produktion, um die gesamte Wertschöpfungskette von Rico zu zeigen.
Diese beginnt bereits weit vor der Produktion von Silikonteilen für die Medizintechnik, den Sanitär- oder etwa den Lebensmittel- und Industriebereich. Ausgangspunkt ist die Anforderung bzw. Vorstellung des Kunden, für eine bestimmte Anwendung, ein bestimmtes Produkt eine Lösung aus Silikon zu finden – oftmals handelt es sich dabei auch um hochkomplexe bzw. sicherheitskritische Produkte. „Wir heben uns durch unseren technologischen Vorsprung klar von der Konkurrenz ab und erarbeiten mit unseren Kunden einzigartige Lösungen, etwa hinsichtlich der Kombination und der Komplexität der Materialien sowie der Reduktion der Montageschritte“, erklärt Rico-Geschäftsführer Thomas Aichberger.
Vom Reißbrett geht es dann in den Werkzeugbau, wo Rico ebenfalls mit weltweit führendem Know-how punktet. So schaffen wir es, mit einem Werkzeug in einem Durchgang zwei verschiedene Materialien, also etwa zuerst ein formstabiles Thermoplast zu spritzen und dieses in einer Aufspannung mit Silikon, zum Beispiel zu Abdichtungszwecken, zu kombinieren. Das klingt bei weitem einfacher, als es ist: Denn Thermoplast ist ein Kunststoff, der etwa in Form eines Granulats in die Maschine kommt, erhitzt, dabei verformt und nach dem Abkühlen wieder fest wird. Flüssigsilikon hingegen hat unter Druck die Konsistenz von Wasser und muss bis zum letzten Moment, bevor es verarbeitet wird, gekühlt werden. Danach wird es in die beheizte Form eingespritzt, wobei der Druck bis zu 2500 Bar und die Temperatur bis zu 220 Grad erreichen können. Durch die hohe Temperatur vernetzt das Silikon extrem schnell, wodurch die Herstellung sehr dünnwandiger oder komplexer Teile möglich ist. Das alles passiert binnen Sekunden in einem einzigen Werkzeug. „Der Vorteil liegt in der Effizienz, diesen Prozess in einem Produktionsschritt abzubilden. Damit heben wir uns von anderen Lösungen ab“, erklärt Aichberger. Hinzu kommt, dass Rico-Werkzeuge etwa an die 30% mehr Teile in einem Schuss (sprich, einem Produktionsvorgang, der nur wenige Sekunden dauert) herstellen. Bedenkt man, dass bei gewissen Produkten mehrere Millionen Teile pro Jahr produziert werden, ist das ein großer Effizienzgewinn – für Rico und den Kunden.
Genauigkeit im Mikrometer-Bereich und hohe Automatisierung
Im Werkzeugbau ist übrigens eine Genauigkeit im Mikrometer-Bereich gefordert. Das ist ein Millionstel Meter. Um die winzige Größe eines Mikrometers zu verdeutlichen: Ein menschliches Haar hat typischerweise einen Durchmesser von etwa 50 bis 100 Mikrometern.
Der hohe Automatisierungsgrad – wieder ein USP von Rico – ermöglicht zudem eine sogenannte Lights-out-Produktion. Um 18 Uhr abends werden sprichwörtlich die Lichter abgedreht und die letzten Mitarbeiter verlassen die Produktion, die Maschinen arbeiten die Nacht aber durch. Diese „Geisterschichten“, die kein Personal benötigen, sind nicht nur ein Asset hinsichtlich der Mitarbeiterbindung und -gewinnung, sondern haben die Rico-Lehrlinge auch zu kleinen, bunten Silikon-Geistern inspiriert, die bei Führungen durch die Lehrlingswerkstätte viele Anhänger finden und ein begehrtes Mitbringsel sind.
Wo ist nun Rico inside? „Wie auch bei den anderen Elastomerprodukten von Semperit kommen Sie wahrscheinlich mehrmals täglich mit Rico Kontakt, ohne es zu wissen“, erklärt Rico-Geschäftsführer Aichberger den Besuchern. Das beginnt bei der morgendlichen Dusche, wenn ein hochwertiger Duschkopf mit Silikonnoppen zum Einsatz kommt (Vorteil: Kalk lässt sich leicht lösen) über den Morgenkaffee (wo Rico z.B. ein Teil für das Durchstechen der Kaffeekapsel herstellt), bis zur Autofahrt in die Arbeit, wo Silikonteile in Autos z.B. in Form von Dichtungselementen oder Steckverbindungen hundertfach zum Einsatz kommen, und sicherheitskritische Aufgaben erfüllen.
Ein weiteres Anwendungsfeld ist der Lebensmittelbereich und dabei auch die Babyernährung, wie Schnuller oder Sauger für Babyflaschen. Rico wurde hier bereits zum zweiten Mal vom Produzenten MAM als Lieferant des Jahres ausgezeichnet. Und auch für diesen Bereich gilt: Es ist extrem viel Know-how gefordert. So spielt es etwa eine wichtige Rolle, wie sich der Schnuller für die kleine Babyzunge anfüllt. Hier die richtige Haptik zu erzielen, wird von den Rico-Kollegen im Werkzeugbau für die Schnuller-Produktion festgelegt. Ein weiterer Anwendungsbereich bzw. Kunde ist der Trinkflaschenhersteller Air-up, für den Rico unter anderem das Mundstück liefert.
Höchst sensibel ist der Medizintechnik-Bereich. Hier werden u.a. winzige Sleeves hergestellt, die beider Operation von „Grauem Star“ zum Einsatz und für deren erfolgreichen Ausgang kritisch sind. Weitere Beispiele sind Bestandteile für Insulinpumpen oder Teile für Hörgeräte. Die von Rico erzeugten Domes – das sind kleine, weiche Ohrpass-Stücke - wiegen zwischen 0,05 und 0,21 g und dienen der Positionierung des Lautsprechers im Ohr.
Megatrends unterstützen Wachstum
„Insgesamt haben wir sowohl im Werkzeugbau als auch in der Produktion eine diversifizierte Branchenstruktur mit den Schwerpunkten Mobility, Consumer & Appliances, Lebensmittel, Healthcare, Sanitär sowie industrielle Anwendungen und profitieren dabei von etlichen Trends“, sagt Aichberger. Bei der Mobilität etwa geht es immer stärker in Richtung leichtere Materialien, ebenso spielen Elektrifizierung und Nachhaltigkeit eine wichtige Rolle. Im Bereich Healthcare sind es die immer älter werdende Bevölkerung und bei den industriellen Anwendungen etwa die ständigen Verbesserungen bei Health & Safety und der Klimawandel, der die Nachfrage nach Sprinklersystemen (hier liefert Rico Dicht- und Wasserverteilelemente für die globalen Weltmarktführer) erhöht.
Der Gesamtmarkt für Flüssigsilikon ist stark wachsend und wird auf Sicht der nächsten Jahre mit durchschnittlich rund 7% per Jahr prognostiziert. „Unser Ziel ist, das Marktwachstum zu übertreffen“, sagt Aichberger. Im Vergleich zu 2023 soll sich der Rico-Umsatz damit bis 2030 in etwa verdoppeln. Dazu passt auch Ricos Mission: „Jeder Kunde, der nach einer effizienten LSR-Lösung sucht, denkt zuerst an Rico.“
Die Basis für das weitere Wachstum ist jedenfalls gelegt: Die Produktionserweiterung in Thalheim wurde heuer im Frühjahr fertiggestellt. Neben einem weiteren Bürogebäude handelt es sich dabei vor allem um drei Fertigungshallen, die nun schrittweise mit Maschinen gefüllt werden. Vom aktuellen Stand konnten sich die Anleger bei der Tour überzeugen. In den USA hat sich die Produktionsfläche 2024 verdoppelt und in der Schweiz sind mögliche Erweiterungen aktuell in der Prüfung. Auf Sicht der nächsten Jahre ergibt sich daraus Platz für eine deutliche Kapazitätserhöhung von mehr als 100 Maschinen an den drei Standorten in Österreich, Schweiz und den USA.
Neben der Produktion war die Lehrwerkstatt eine weitere wichtige Station des Rundgangs: Jährlich werden rund 15 Lehrlinge aufgenommen und damit der Nachwuchs, u.a. beim komplizierten Werkzeugbau, gesichert. Die Lehrlinge haben dabei ihr eigenes Reich inklusive Werkstätte und Lernbereich. Regelmäßig werden auch Lehrlingsprojekte angestoßen – vom Reißbrett über den Werkzeugbau bis zur Fertigung. Dabei entstanden bislang etwa die bunten Geister, Gummifische zum Sportfischen und Serviettenringe aus Silikon. „Ich bin unter anderem so gerne hier, weil jeder Besucher unserer Lehrwerkstätte die Energie, den Tatendrang und die Innovationskraft unserer zukünftigen Fachkräfte spürt“, erzählt Aichberger.
Die Freude, mit der die Belegschaft am Werk ist, spüren die Besucher aber nicht nur in der Lehrlingswerkstätte – diese zieht sich durch das gesamte Unternehmen. Schlusspunkt unseres Anleger-Rundgangs war das Betriebsrestaurant von Rico, wo Chef Rudi mit seinem Team für das leibliche Wohl sorgte.
Die Präsentationen unseres Infotages finden Sie hier zum Download: