Im Gespräch mit den Mitgliedern des Vorstands der Semperit-Gruppe, Karl Haider (CEO), Helmut Sorger (CFO), Gerfried Eder (CIO), sowie dem designierten CEO Manfred Stanek über die Entwicklungen im Geschäftsjahr 2024, strategische Weichenstellungen und Zukunftsperspektiven für Semperit.
Herr Haider, Sie haben zu Jahresbeginn 2024 ein anhaltend schwieriges Marktumfeld prognostiziert, für das Semperit aber gut gewappnet sei. Wie ist es schlussendlich geworden?
Karl Haider: Es war wie erwartet ein durchaus herausforderndes Jahr, in dem wir aber ein sehr ordentliches Ergebnis erzielt haben. Damit haben wir die stolze und ereignisreiche 200-jährige Geschichte von Semperit als globale Pionierin und Lösungsanbieterin für Elastomere erfolgreich fortgesetzt. Früher als erwartet konnten wir den Verkauf des Medizingeschäfts vollständig abschließen und Ende Juni 2024 die noch verbliebene Produktion und Verpackung von Operationshandschuhen an die südostasiatische Harps Global, die Käuferin unseres gesamten Medizingeschäfts, übergeben. Semperit hat sich damit vollständig aus dem Handschuhgeschäft zurückgezogen, und wir konzentrieren uns zu 100 Prozent auf die Umsetzung unserer Strategie als Spezialistin für Elastomerprodukte für Industriekund:innen. Die Integration von Rico geht gut voran, und unsere 2023 eingeführte Aufstellung mit zwei starken Divisionen hat sich bewährt. Wir haben somit trotz Gegenwind aus dem Markt alle Meilensteine erreicht und gehalten, was wir versprochen haben. Die Semperit-Gruppe steht auf einem sehr soliden Fundament, auf dem Manfred Stanek als CEO ab Anfang April gemeinsam mit Helmut Sorger und Gerfried Eder weiter aufbauen kann.
Manfred Stanek: Darauf freue ich mich sehr. Semperit ist mit diesen strategischen Schritten, der Konzentration auf industrielle Elastomere und der Abdeckung der gesamten Wertschöpfungskette im Flüssigsilikonbereich sehr gut und kompetitiv aufgestellt. Das war einer der wichtigsten Gründe, warum ich mich für Semperit entschieden habe. Und natürlich die strategische Herausforderung, auf diesem starken Fundament das Wachstum weiter voranzutreiben und die Gruppe möglichst bald wieder auf eine Umsatzgröße von über einer Milliarde Euro zu bringen.
Die Ausgangsbasis dafür, also der Umsatz für 2024, liegt bei rund 680 Mio. EUR. Wie sehen die weiteren wichtigen Kennzahlen aus?
Helmut Sorger: Auch hier haben wir gehalten, was wir versprochen haben. So konnten wir bei einem stabilen Umsatz das EBITDA um mehr als 21 % auf rund 85 Mio. EUR steigern und haben damit unsere Guidance von rund 80 Mio. EUR übertroffen. Die EBITDA-Marge verbesserte sich um 2,3 Prozentpunkte auf 12,5 %. Das operative EBITDA, also vor ergebniswirksamen Effekten für unser großes Digitalisierungsprojekt OneERP, lag bei 86,3 Mio. EUR. Ein wichtiger Faktor für die Verbesserungen war, dass wir sehr frühzeitig – bereits im Jahr 2023 – reagiert und ein Kostensenkungsprogramm gestartet haben. Wir haben sprichwörtlich jeden Euro umgedreht, um dem Marktumfeld entgegenzuhalten und unsere Effizienz zu steigern. Insgesamt summieren sich die Einsparungen auf mehr als 18 Mio. EUR.
Gerfried Eder: Diese Sparmaßnahmen haben unsere Margen deutlich unterstützt. Und die optimierten Fixkosten werden auch die operative Effizienz weiter stärken, sobald der zyklische Aufschwung beginnt. Insgesamt untermauern diese Ergebnisse für 2024 die Effektivität unserer Strategie und unserer Divisionsstruktur. Mitte 2023 haben wir die Semperit-Gruppe neu aufgestellt und mit SIA und SEA zwei schlagkräftige Divisionen geformt, die die jeweiligen Stärken unseres Geschäfts bündeln und rein auf Elastomerprodukte und Lösungen für industrielle Kund:innen fokussieren. Gemeinsame Basis sind unsere Kompetenz bei Gummimischungen und unsere Innovationskraft, die auf 200 Jahre Erfahrung aufbauen, sowie unser tägliches Streben nach Vertriebsexzellenz und Kundennähe als eine der führenden Anbieter:innen weltweit.
Bleiben wir gleich bei den beiden Divisionen. Diese folgen ja teils unterschiedlichen Zyklen, wie sah die Entwicklung 2024 aus?
Gerfried Eder: Semperit Industrial Applications oder kurz SIA, in der wir unser großvolumiges Geschäft mit Schläuchen und Profilen zusammenfassen, war 2024 wie erwartet noch vom wirtschaftlichen Abschwung betroffen. Das Geschäft der Erstausrüster:innen, etwa im Bereich von Bau- oder landwirtschaftlichen Maschinen, in denen unsere Schläuche zum Einsatz kommen, läuft konjunkturbedingt noch schwach. Ähnliches gilt für die Nachfrage nach Profilen, die mit der – ebenfalls noch schwachen – Bauwirtschaft korreliert. Der Umsatz in der Division SIA ging somit im Jahresvergleich um 11 % zurück, aber wir konnten dank der Einsparungen und Effizienzsteigerungen die Profitabilität deutlich erhöhen. So stieg das EBITDA um 11 % auf rund 52 Mio. EUR, und die Marge verbesserte sich um 3,6 Prozentpunkte auf 17,8 %. Daran sieht man deutlich, dass wir zyklische Phasen sehr gut managen können und den Fokus darauf legen, was wir beeinflussen können. Das sind etwa das Working Capital, die Lagerreduktion, ein straffes Forderungsmanagement und bei der Preispolitik Ruhe zu bewahren. Das haben wir erfolgreich umgesetzt und gleichzeitig unsere Effizienz für den nächsten Aufschwung gesteigert.
Karl Haider: In der Division Semperit Engineered Applications bzw. SEA, in der wir stark innovations- und technologiegetrieben sind und zu der etwa unsere Handläufe, Bahn-Produkte, Mountain Applications, Fördergurte und Flüssigsilikonkomponenten zählen, konnten wir den Umsatz um 9 % steigern. Das war vor allem eine Folge der ganzjährigen Einbeziehung von Rico. Der Bereich Form entwickelte sich stabil und Belting, also das Geschäft mit unseren Fördergurten, lag wie erwartet unter dem starken Vorjahresniveau. Die Megatrends für diesen Bereich, wie Elektrifizierung und Urbanisierung, sind aber nach wie vor intakt. Insgesamt kam das EBITDA der Division mit rund 48 Mio. EUR knapp unter dem Vergleichswert zu liegen. Sowohl bei Belting als auch im Werkzeugbau für Flüssigsilikonkomponenten haben wir gesehen, dass einige Kund:innen aufgrund der wirtschaftlichen Lage Projekte nach hinten verschoben haben. Insgesamt haben auch bei SEA die frühzeitigen Einsparungen die Margen unterstützt.
Was freut den Finanzvorstand außer den Kosteneinsparungen noch?
Helmut Sorger: Zum einen, dass die hohe Kostendisziplin vom gesamten Team täglich gelebt wird, sie gehört zum Daily Business. Wo immer wir eine Möglichkeit zur Reduktion der Fixkosten sehen, wird diese umgesetzt. Zum anderen ist es mein Ziel, das Geschäft bestmöglich hinsichtlich Cash-Generierung und Investitionen zu unterstützen. Mein Hauptaugenmerk liegt auf dem Free Cashflow zur Finanzierung des Wachstums und der Ausschüttungen an unsere Aktionär:innen. Und hier sind wir 2024 sehr gut vorangekommen. So haben wir rund 46 Mio. EUR Free Cashflow aus dem operativen Ergebnis erwirtschaftet bzw. 52 Mio. EUR unter Berücksichtigung des Verkaufs des noch verbliebenen Medizingeschäfts. Davon flossen knapp 30 Mio. EUR in unsere Wachstumsinvestitionen. Und rund 10 Mio. EUR wollen wir als Dividende ausschütten. Wir werden der Hauptversammlung daher für das Geschäftsjahr 2024 eine stabile Dividende von 0,5 EUR je Aktie vorschlagen.
Kostendisziplin gehört bei Semperit längst zum Daily Business.
Helmut Sorger, CFO

Wohin sind die Wachstumsinvestitionen von rund 30 Mio. EUR 2024 geflossen?
Gerfried Eder: Zum einen in unseren Standort in der tschechischen Stadt Odry. Wir investieren dort in die Kapazitätserweiterung unserer Schlauchproduktion, die bereits jetzt Europas größte Schlauchfabrik ist. Es handelt sich um ein mehrjähriges Investment mit einem Gesamtvolumen von rund 100 Mio. EUR, das bis zum Jahr 2030 eine Zusatzkapazität von bis zu 24 Mio. Meter Hydraulikschlauch pro Jahr schafft. Rund 45 Mio. EUR sind bereits geflossen. Damit stellen wir sicher, dass wir in der nächsten Aufschwungphase keine Engpässe haben. Und wir setzen mit dem Ausbau neue Maßstäbe hinsichtlich Automatisierung, Digitalisierung und Nachhaltigkeit. Die neue Produktionsanlage benötigt etwa weder Öl noch Gas als Energiequelle, und der Strombedarf soll künftig auch über eine eigene Photovoltaikanlage gedeckt werden. Kurze Lieferketten sind ein weiterer Vorteil.
Wir sind hervorragend aufgestellt für den nächsten Aufschwung.
Gerfried Eder, CIO

Karl Haider: Im Flüssigsilikonbereich haben wir in den Kapazitätsausbau bei Rico in Österreich investiert und damit die Basis für weiteres Wachstum gelegt. Die Produktionserweiterung in Thalheim wurde 2024 fertiggestellt. Neben einem weiteren Bürogebäude handelt es sich dabei vor allem um drei Fertigungshallen, die schrittweise mit Maschinen gefüllt werden. In den USA hat sich die Produktionsfläche bei Rico 2024 verdoppelt, und in der Schweiz sind mögliche Erweiterungen aktuell in der Prüfung. Auf Sicht der nächsten Jahre ergibt sich daraus Platz für eine deutliche Kapazitätserhöhung von mehr als 100 Maschinen an den drei Standorten für Flüssigsilikon in Österreich, Schweiz und den USA.
Semperit hat in 200 Jahren Firmengeschichte immer wieder mit Innovationen gepunktet und damit nicht nur das Unternehmen, sondern die gesamte Branche vorangetrieben. Wie sieht es hier aktuell aus?
Karl Haider: Unsere Innovations-Pipeline ist gut gefüllt mit Produkten für unterschiedlichste Anwendungen, bei denen wir auf unser langjähriges Know-how aufbauen können. Ein Beispiel dafür ist unser Hybrid-Handlauf, der die Biegeeigenschaft und damit die Langlebigkeit des Gummis mit der glänzenden Oberfläche von Kunststoff verbindet. Vor allem Kund:innen in Asien präferieren die glänzende, schimmernde Oberfläche. Oder unser Track Belt: Dabei handelt es sich um hochqualitative Gummibänder für die Ketten von Pistenraupen. Bei dieser Entwicklung haben wir von unserer Erfahrung bei Fördergurten und Mountain Applications, zu denen unsere Skifolien und Seilbahnoberringe zählen, profitiert. Vielversprechend sind auch unsere hochbelastbaren Gummi-Metall-Komponenten, die für Feinmahlprozesse in der Mineralverarbeitung im Bergbau zum Einsatz kommen, beispielsweise bei Kupfer, Eisenerz, Gold oder Silber. Diese Komponenten tragen maßgeblich zur Optimierung von Bergbauprozessen bei und unterstützen somit die Energiewende. Mit einem Gewicht von über 500 Kilogramm gehören sie zu den schwersten Bauteilen, die wir im Formpressverfahren herstellen.
Unsere Innovations-Pipeline ist mit hochattraktiven Produkten gut gefüllt.
Karl Haider, CEO bis 31. März 2025

Stichwort Energiewende: Wo steht Semperit bei der Umsetzung ihrer Nachhaltigkeitsziele, die bis 2030 erreicht werden sollen?
Karl Haider: Im Umweltbereich fokussieren wir auf die Reduktion von Energie, Abfall und Emissionen an all unseren Standorten und haben das 2024 konsequent fortgesetzt. Darüber hinaus hat die Verbesserung unserer Kennzahlen im Gesundheitsschutz und bei der Arbeitssicherheit höchste Priorität. Beginnend mit 2024 haben wir zudem einen weiteren Schwerpunkt auf Diversität und Inklusion gelegt und uns konkrete Ziele für die Erhöhung des gesamten Anteils an Frauen und in Führungspositionen gesetzt. Komplettiert wird dies durch ein umfangreiches Screening unserer Lieferkette und einen steigenden Anteil jener Lieferant:innen, die gemäß ESG-Kriterien und -Standards geprüft sind.
Im Finanzbereich hat Semperit aktuell Mittelfristziele bis 2026 veröffentlicht. Wie sieht der Ausblick aus?
Helmut Sorger: Aktuell sehen wir noch keine Anzeichen einer Markterholung. Für das zweite Halbjahr 2025 ist es nicht unwahrscheinlich, dass in einzelnen Regionen eine Markterholung einsetzt. Weiters setzen wir die Kostenmaßnahmen fort. Unser Mittelfristziel für 2026, wonach das operative EBITDA rund 120 Mio. EUR erreichen soll, bleibt unverändert aufrecht – die Unterstützung vom Markt vorausgesetzt.
Mittelfristig sehe ich das Umsatzziel von Semperit bei über einer Milliarde Euro.
Manfred Stanek, CEO ab 1. April 2025
